Spiegelneuronen - Was ist das?

Empathiefähigkeit fördern durch nachhaltige Momente der Interaktion

 

.Sprich mit mir“, so lautet die Aktion des Kinderschutzbundes, in der der Verein an einen verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien in der Gegenwart von Kindern einfordert. Diese Aktion ist begrüßenswert, rückt sie doch den so wichtigen Eins-zu-Eins-Kontakt mit Kindern in den Fokus. Doch was passiert, wenn dieser abnimmt?

Die Sprachentwicklung leidet, aber auch die Empathiefähigkeit kann in ihrer Entfaltung beeinträchtigt werden.

Fast alle Babys kommen als kompetente und spiegelungsfähige Menschen auf die Welt. Doch die Weiterentwicklung zu später empathischen Menschen bedarf einer dem Baby angemessener Ansprache. Die Neuronen, die dazu angelegt wurden, sind in ihrer Entfaltung sehr sensibel.


Empathiefähigkeit entfaltet sich über gut angesprochene und ausgereifte Spiegelneuronen. Deren Wirkungsprinzip ist „use it or lose it“. Nutze sie oder verliere sie. Sie wurden erst 1996 entdeckt. Forscher gehen davon aus, dass sie bis zum 3./4. Lebensjahr voll entwickelt sind. Die Evolution hat den Menschen dazu eine sogenannte „Ammensprache“ mit gegeben.

 

Es gab in den letzten fünf Jahrzehnten viele positive Entwicklungen, die eine gesunde Entfaltung der Spiegelneuronen begünstigt haben, so z.B. der viel bewusstere Umgang mit Babys, die Entdeckung des Tragetuches und die Babymassage, die vor allen Dingen durch Frederic Leboyer seit 1976 in Europa bekannt gemacht hat. Auch die vor genau 51 Jahren von John Bolwby veröffentlichte Bindungstheorie hat das Bewusstsein im Umgang mit Babys nachhaltig verändert.

 

Doch seit über zehn Jahren gibt es auch Entwicklungen, die ich mit Besorgnis beobachte. Da sind zum einen die Handys, die auf kleine Kinder nur verwirrend wirken können und die die vielen kleinen Sternstunden der Kommunikation viel zu oft durch Klingeln und durch eingehende Kurznachrichten unterbrechen. Oft beobachte ich, dass Eltern mit ihren Kindern zusammensitzen oder einen Ausflug machen und dann doch wieder das Handy zur Hand nehmen.

 

Ich beobachte auch immer mehr Kinderwagen, in denen die Kinder fast nur noch von den Eltern weggerichtet spazieren gefahren werden. Dadurch gehen viele Chancen der Interaktion bei einem gemeinsamen Spaziergang verloren, nachhaltige Momente der Zweisamkeit.

 

Empathiefähigkeit, deren Reifung Zeit und Zuwendung benötigt, bedarf nachhaltige Momente der Interaktion.

Babys kommunizieren über Signale und brauchen diese Momente der Zweisamkeit, um eine gesunde neurologische Entwicklung durchlaufen zu können und um später als einfühlsame Menschen unser gesellschaftliches Bild mit gestalten zu können.


Nur wenige Nachrichten sind so wichtig, dass sie einer sofortigen Antwort bedürfen und es wert sind, dass dafür ein zugewandter Kontakt mit dem Gegenüber unterbrochen werden sollte. Und, kein Passant ist so spannend wie die Person, die den Kinderwagen schiebt.

 

Herzliche Grüße und viele inspirierende Momente mit den Kindern, 

Margit Holtschlag

 

 

© Margit Holtschlag 2020