Babymassage und das gewisse "etwas"

Ein Weg,  Babys und Kinder liebevoll mit Massage zu begleiten

 

Als ich die Hausbesuche zur Anleitung in Babymassage – Berührung mit Respekt® bei der Familie Mayr  beendet hatte, wurde ich mit den Worten verabschiedet, „deine Unterstützung hätten wir bei unserem 1. Kind gebrauchen können….“. Die fünfjährige Tochter Lisa hatte eine Gaumenspalte gehabt.

 

„Nur“ eine Gaumenspalte? Die erste Zeit mit Lisa war von vielen Begleiterscheinungen dieser Fehlbildung geprägt, die für die Außenwelt so wenig offensichtlich war. Es gab Stillprobleme und eine massive Unruhe beim Kind. Für die Mutter war es zunächst schwierig, sich mit der unerwarteten Situation zurechtzufinden. Sie fühlte sich unverstanden und war traurig, weil sie das Kind nicht erfolgreich stillen konnte, viel Zeit mit dem Abpumpen der Muttermilch verbrachte und die Signale des Kindes nicht zu deuten wusste. Erschwert wurde die Situation noch durch eine Wochenbettdepression. Sie fand Hilfe in ihrem sozialen Netzwerk, doch der Weg war lang und steinig.

 

Fünf  Jahre später wurde dann Marie geboren, die Entscheidung für sie hatte aufgrund der oben geschilderten Erfahrungen länger gedauert.  Die Mutter von Lisa und Marie hatte Schwierigkeiten damit,  Marie weinen zu hören. Lisa hatte schon so viel geweint, und die Mutter hatte das als sehr unangenehm und traumatisch in Erinnerung. Die Familie kam durch die Empfehlung einer Freundin auf mich zu und wünschte sich eine Begleitung durch mich und eine Unterweisung in die Kust der Babymassage. Dass die Freundin erzählt hatte, dass es normal ist, wenn Babys nach der Massage zunächst einmal weinen und dass das nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum Erfolg ist, machte die Entscheidung der Mutter für die Babymassage nicht leicht. Sie hatte das vermehrte Weinen ihres ersten Kindes einfach zu negativ in Erinnerung.

 

In den folgenden vier Hausbesuchen konnte ich beiden Eltern die Kunst der Babymassage vermitteln. Neben der Babymassage lernten die Eltern, dem Baby zuzuhören und es beim Weinen zu begleiten. Sie erkannten,  wann das Kind die ersten Stresszeichen sendete und wie sie optimal darauf reagieren konnten.

 

Die Erfahrungen mit Lisa konnten durch die Babymassage mit Marie noch einmal reflektiert und neu bewertet werden. Ihre „Botschaft“ konnte im Nachhinein von der Mutter gedeutet werden. Die Massage von beiden Kindern ist heute ein fester Bestandteil des Familienlebens.

 

Doch was ist das Besondere an einer qualifizierten Babymassage,  und warum wäre es für die  Eltern von Lisa gerade in der ohnehin schon schwierigen Situation mit ihr so wertvoll gewesen?

 

Massage fördert die Bindung und vermittelt ein positives Körpergefühl.  Sie ebnet den Weg, um miteinander „in Kontakt“ zu kommen, gerade auch dann wenn eine Fehlbildung, Stillschwierigkeiten, anfänglicher Stress oder gar Depressionen den Kontakt zum Kind erschweren.

 

Die  Massage fördert Ressourcen und setzt neue Energien frei. Dazu leistet auch das Bindungs- und Antistresshormon Oxytocin seinen Beitrag. Oxytocin wird durch den Hautkontakt sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern während der Massage ausgeschüttet. Die Anleitung zur Massage setzt bei den Stärken der Eltern und Kinder an, und lässt das, was oft schwer zu ertragen ist, verblassen.

 

In einner qualifizierten Anleitung zur Babymassage lernt man, auf die Signale des Kindes zu achten und mit ihm und nicht an ihm zu massieren. Die Babymassage hilft Kindern, bereits gemachte unangenehme Körpererfahrungen, wie sie jedes Kind nach einer Operation oder einem Krankenhausaufenthalt mitnimmt, loszulassen. Diesen Lösungsprozess durfte ich in  meinen zahlreichen Anleitungen „bedürfnistarker“ und durch zum Teil lange Krankenhausaufenthalte irritierte Kinder immer wieder begleiten. Zunächst weinen die Kinder, wenn man sie z.B. am Fuß berührt, weil sie im Gehirn abgespeichert haben, dass wieder etwas Unangenehmes wie z.B. eine Blutabnahme geschehen könnte.  Die Eltern schließen daraus meist, dass das Kind nicht am Fuß angefasst werden mag. Mit der liebevollen Kraft der Berührung durch die Eltern lernen die Kinder, diese unangenehme Assoziation wieder in eine positive Erfahrung umzuwandeln. Das geht meistens nur, wenn sie eine Chance bekommen, ihre negativen Erfahrungen zu „erzählen“, so wie wir uns das auch wünschen, wenn wir traurig und enttäuscht sind. Zuhören ist eine Kunst. Wer zuhören kann und will,  verzichtet auf Ablenkung und Aktionismus. Wer zuhört, schenkt dem Gegenüber sein Ohr, seine Aufmerksamkeit. Haben die Tränen, die von den Eltern durch Halten und Zuhören mit einer kompetenten Unterstützung durch die Babymassage-Kursleitung begleitet werden, ihren Weg gefunden, ist der Weg frei für neue, positive Impulse. Die Eltern haben in diesem Prozess gelernt, wie sie ihre Kinder in einer Situation begleiten können, in der sie sich vorher oft  hilflos gefühlt haben.  Sie fühlen sich ent-lastet.

 

Dieses anfängliche Zuhören wird durch eine Vielzahl an wunderschönen Momenten in einer innigen Interaktion  zwischen Eltern und Kindern belohnt. Eltern und Kinder lernen sich besser kennen und es wird das Fundament für ein tiefgehendes Vertrauen und eine dauerhafte Bindung und Bindungsfähigkeit gelegt.

 

Babymassage sollte immer mit der Frage um Erlaubnis beginnen und endet mit einem „Danke, dass ich dich massieren durfte“ enden. Das Kind gibt seine Erlaubnis, wenn es den Blickkontakt hält und später, wenn es Freude zeigt.  Es signalisiert „Nein“, wenn es den Kopf zur Seite dreht und die Hand zum Mund führt.

 

Durch dieses Eröffnungs- und Abschlussritual  erfahren und erlernen die Kinder von Anfang an  Respekt und Wertschätzung. Ihr Selbst-bewusstsein wird gestärkt. Kinder die sich ihrer selbst bewusst sind, sind gegenüber Übergriffen besser gewappnet, sie wissen, dass sie „Nein“ sagen dürfen, wenn jemand sie unerlaubt anfassen möchte. Auch gegen verbale Übergriffe oder gar Mobbing können sie sich leichter zur Wehr setzen.

 

Durch Massage entwickeln Kinder ein sehr gutes Körpergefühl. Ein gutes Körpergefühl gibt Kindern beim Klettern, Springen und Toben Sicherheit. Durch ein gutes Köpergefühl können Menschen benennen,  wo und warum sie sich unwohl fühlen. Durch Massage lernen Kinder von Anfang an zu entspannen.  Bei unruhigen Kindern nimmt die Konzentrationsfähigkeit deutlich zu.

 

Massage stärkt das Immunsystem und reguliert die Körperfunktionen, wie z.B. den Schlaf-, Wachrhythmus und die Verdauung.

 

Die Massage mit dem älteren Kind bietet immer auch die Gelegenheit für ein vertrauensvolles Gespräch.  In der Massage erzählen ältere Kinder erfahrungsgemäß leichter,  was sie bewegt oder gar bedrückt.

 

Durch den Körpekontkt über die Massage erfährt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern häufig eine ganz neue Qualität.

 

Für einen Beginn mit der Baby- oder Kindermassage ist es nie zu spät. Man sollte sie ab dem Zeitpunkt erlernen,  ab dem man sie als sinnvoll erkannt hat, so wie die Mutter von Lisa und  Marie.

 

Liebe geht durch die Haut, und die Haut ist unser größtes Organ, und das erste, das angelegt wurde.

 

Herzliche Grüße und viele inspirierende und entspannte Momente mit den Kindern,

Margit Holtschlag

 

Was sind Baby-Signale:

Ein Baby zeigt, wenn es die Bereitschaft zur Interaktion hat. Es lächelt z.B. oder gluckst. Wenn die Bereitschaft nachlässt, wendet es den Blick ab und führt die Hand zum Mund. Ist es überreizt, zeigt es stärkere Stresszeichen wie z.B. überstrecken, Blässe, schnellere Atmung, würgen, erbrechen und Schluckauf.

 

© Margit Holtschlag 2020