Phantasie und Langeweile - Grundlagen für neue Entwicklungen

Freies Spiel für Kinder

 

In der klassischen Kinder-und Jugendliteratur kommen Erwachsene fast nicht vor. Und wenn, dann weil sie eine ordnende Rolle spielen. Die Kinder in den Büchern Astrid Lindgrens erleben sehr viel, aber wenn etwas passiert, wie z.B. die fest geklemmte Suppenschüssel auf dem Kopf von Michel, sind die Erwachsenen präsent und helfen weiter. Außerdem gibt es einen festen, geordneten Rahmen, der durch die Mahlzeiten, Rituale und Feste stabilisiert wird. Und die Kinder müssen immer wieder mit helfen, sie lernen im direkten Kontakt mit den Erwachsenen existenzielle Dinge des Lebens.


„Zwei Dinge hatten wir, die unsere Kindheit zu dem machten, wie sie war – Geborgenheit und Freiheit.” Astrid Lindgren

 

Astrid Lindgren sagte über das freie und intensive Spiel in ihrer Kindheit „Wir spielten und spielten und spielten, so dass es das reine Wunder ist, dass wir uns nicht totgespielt haben.”

 

Ich selber erinnere mich auch an genau dieses Gefühl. Die Voraussetzung dafür waren die Phantasie und der Rahmen, in dem diese sich perfekt entwickeln konnte. Phantasie ist etwas Wunderbares und Phantasie ist die Grundlage für neue Entwicklungen. Doch Phantasie benötigt etwas, von dem manche Eltern denken, dass Kinder das nur schwer aushalten können, und das ist Langeweile. Zwischen dem 2. und 7.Lebensjahr gibt es eine besonders schöne Entwicklungsphase, die präoperationale Phase nach Piaget.

Was ist eine präoperationale Phase nach Piaget?

 

Die Theorie Jean Piagets, geht davon aus, dass menschliche Erkenntnis durch aktives Handeln und Interaktion mit der Umwelt entsteht und das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses darstellt. Jeder Mensch durchläuft verschiedene Entwicklungsstufen. Die präoperationale Phase nach Piaget besteht aus der Phase des symbolischen, vorbegrifflichen Denkens (24 Jahre) und der Phase des anschaulichen Denkens (47 Jahre).

 

In dieser Zeit spielen Rollenspiele eine besondere Rolle. Das Ziel ist es, dass das Kind sich am Ende dieser Phase in andere Personen hinein versetzten kann und dass es am Ende dieser Phase die Schulreife erreicht. Mit der Schulreife ist dann auch das formal operationale Lernen möglich, das bedeutet, dass die Kinder dann auch allmählich abstrakter denken können. Auch in der Zeit der Schulreife sollten die Rollenspiele noch weiter gehen.

 

Was bedeutet das für Eltern?

 

In der präoperationalen Phase (2-7 Jahre) halten Kinder sich noch für den "Nabel der Welt" und sie haben Allmachtsphantasien. "Ich mache Regen" ist ein wunderbarer Satz, der mir aus dieser Zeit von meinem Sohn in Erinnerung geblieben ist während er im Planschbecken die Wassertropfen springen ließ. In dieser Zeit haben Dinge für die Kinder Gefühle, der Spracherwerb spielt eine große Rolle und Kinder sind vom "magischen Denken" beherrscht. Das bedeutet, dass alles in der Umwelt irgendwie lebt. Es ist gut, wenn in dieser Zeit Gegenstände zweckentfremdet werden können und zum Beispiel das Bügelbrett zum Kaufladen wird.


Für diese wichtige Entwicklungsphase, die ebenso wie die Entwicklung der Spiegelneuronen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Empathie Fähigkeit spielt, ist es wichtig, dass Kinder Zeit für ein freies und selbstbestimmtes Spiel haben. Es ist wichtig, dass Erwachsene aushalten können, wenn das Kind gerade einmal nicht weiß, wie es sich beschäftigen soll. Auch ein Überangebot an Spielzeug sollte vermieden werden. Jedes Video, mit den Kindern in dieser Zeit abgelenkt werden ist verlorene Zeit für die Entdeckung eines eigenen kreativen Spieles.

 

Empathie Fähigkeit, deren Reifung Zeit und Zuwendung benötigt, bedarf nachhaltige Momente der Interaktion. In meinem Blogbeitrag zum Thema Spiegelneuronen gebe ich einen Einblick in die wertvolle Interaktion mit Babys und Kindern.

 

Herzliche Grüße und viele inspirierende Momente mit den Kindern,

Margit Holtschlag

 

 

© Margit Holtschlag 2020